Europa-Initiative: Ein Ausweg aus der Sackgasse
Medienmitteilung
Aufbruchstimmung in der Europapolitik: Die Europa-Allianz hat heute in Bern den Initiativtext der Europa-Initiative präsentiert. Die Initiative regelt die Grundlagen der Europapolitik und verpflichtet den Bundesrat zur sofortigen Aufnahme von Verhandlungen, um die institutionellen Fragen mit der EU zu klären. Damit ist klar: Die grosse Europa-Abstimmung, der Bundesbern so gern aus dem Weg gehen will, kommt auf jeden Fall. Die Allianz fordert nun vom Ständerat ein Europagesetz, das eine institutionelle Lösung vorantreibt.
Die Europapolitik steckt so tief in der Sackgasse, dass eine konstruktive Oppositionspolitik aus der Zivilgesellschaft und von fortschrittlichen Parteien unverzichtbar ist. Deshalb hat die Europa-Allianz bestehend aus La Suisse en Europe, Operation Libero, Suisseculture, Volt Schweiz, dem Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) und den GRÜNEN Schweiz heute an einer Medienkonferenz in Bern ihre Europa-Initiative vorgestellt. Diese soll dem Parlament als Leitfaden für ein zukünftiges Europagesetz dienen.
Wir brauchen eine institutionelle Lösung
Die Europa-Initiative verlangt eine aktive Zusammenarbeit mit der EU. Das Kernstück ist der verbindliche Auftrag an den Bundesrat, umgehend Verhandlungen mit der EU aufzunehmen, um die institutionellen Fragen zu klären. Er muss ohne Verzögerung Verträge aushandeln, die eine institutionelle Lösung ermöglichen und diese dem Parlament vorlegen.
«Die Europa-Initiative legt verbindliche Grundsätze und Ziele der Europapolitik fest, bei der Umsetzung lässt sie dem Bundesrat und dem Parlament hingegen Spielraum», sagte Thomas Cottier, emeritierter Professor für europäisches und internationales Wirtschaftsrecht der Universität Bern und Präsident von La Suisse en Europe. Der derzeitigen Arbeitsverweigerung des Bundesrates im Europadossier würde sie nach Annahme verfassungsrechtlich ein Ende setzen.
Aus europäischen Programmen ausgeschlossen
Mit den Studierenden und den Kulturschaffenden sind die zwei Bevölkerungsgruppen in der Europa-Allianz vertreten, welche die Konsequenzen einer fehlenden institutionellen Lösung schon am deutlichsten zu spüren bekommen. Die Schweiz ist derzeit aus den europäischen Programmen Horizon Europe, Erasmus+ und Creative Europe ausgeschlossen.
«Unser Platz als leistungsfähige Nation in den Bereichen Bildung und Forschung verschlechtert sich angesichts der Untätigkeit unserer Politiker*innen», sagte Maxime Barthassat, Co-Präsident des VSS, der rund 120’000 Studierende vertritt. Nicole Pfister-Fetz von Suisseculture legte nach: «Für die Kultur ist der europäische Austausch und die multilaterale Zusammenarbeit lebenswichtig, für Innovation und Entwicklung wie in ökonomischer Hinsicht.»
Handlungsfähigkeit der Schweiz stärken
Mit dem einseitigen Verhandlungsabbruch beim Rahmenabkommen hat sich die Schweiz geweigert, mit ihrer wichtigsten Partnerin gemeinsame Spielregeln zu definieren. Jetzt bröckeln die Bilateralen weg und die Schweiz ist mehr denn je den Entscheidungen anderer ausgeliefert.
«Die Handlungsfähigkeit der Schweiz wurde dadurch geschwächt – statt sie zu stärken», sagte Sibel Arslan, Vizepräsidentin der GRÜNEN Schweiz und fuhr fort: «Die Europa-Allianz tritt an, um den Scherbenhaufen aufzuräumen, den der Bundesrat verursacht hat.»
Die Europa-Initiative will nicht nur die bilateralen Freiheiten und den Lohnschutz sichern, sondern auch die Basis für eine weiterführende Zusammenarbeit in neuen Bereichen wie der Bekämpfung der Klimakrise oder der Energie- und der Digitalpolitik legen. Die Schweiz ist auf die Zusammenarbeit mit Europa angewiesen, um sich den grossen Fragen unserer Zeit anzunehmen: Klima, Frieden und Demokratie.
Angst vor einer Zerreissprobe
Der Bundesrat und die Bundesratsparteien lassen aus Angst vor internen Zerreissproben und vor Machtverlust die Finger von einer Lösung in der Europapolitik. Wie gut, dass wir die direkte Demokratie haben, die Möglichkeit zu einer Volksinitiative, sodass wir dem Bundesrat ins Aufgabenbuch schreiben können, was er selber nicht an die Hand nehmen kann. «Wenn es das Instrument der Initiative noch nicht gäbe, dann müsste es speziell für diese strukturelle Sackgasse in der Europapolitik erfunden werden», sagte Sanija Ameti, Co-Präsidentin der Operation Libero.
Die Europa-Initiative sei ein Befreiungsschlag der Zivilgesellschaft, die konstruktivste Form der Opposition, eine Opposition, die einen Weg nach vorne offen lege, so Ameti. Die Forderungen der Initiative entsprächen der Legislaturplanung des Bundesrates und seien «hochgradig unspektakulär». «Die Radikalität der Initiative besteht gerade darin, dass sie den Bundesrat und die Bundesratsparteien darauf behaftet, was sie selber sagten, dass sie wollten.»
Noch liegt der Ball beim Parlament
Die Mitglieder der Europa-Allianz betonten jedoch, dass sie die Europa-Initiative noch nicht lancieren. Das Parlament hat im September die Chance, den Auftrag für ein Europagesetz zu geben, das dem Bundesrat schneller und einfacher die gleichen Ziele vorschreiben könnte wie die Europa-Initiative. Die Initiative will den parlamentarischen Weg unterstützen, nicht ersetzen.
Am 5. September – also am kommenden Montag – ist das Geschäft in der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates traktandiert. Der Initiativtext soll dem Parlament als Leitfaden für die weitere Arbeit dienen. Die Europa-Allianz fordert den Ständerat auf, vorwärts zu machen. Lehnt das Parlament seine Verantwortung ab, bleibt die Europa-Initiative der einzige Weg aus der Sackgasse.